Während in Deutschland die Wahl ein Recht ist, das die Bürger auch verweigern können, gibt es einige Länder, in denen Wahlpflicht herrscht. In zweitem Teil unserer Serie zu dem Thema, stellen wir diese Länder vor und gehen auf die Auswirkungen auf die Gesellschaft ein.
Derzeit gibt es weltweit etwa 30 Staaten, in denen die wahlberechtigten Bürger der Pflicht zur Wahl unterliegen. Zu ihnen gehören zum Beispiel Brasilien, die Türkei, Ägypten, Luxemburg, Belgien, Italien, Griechenland und Australien. In den meisten Ländern wird dem Bürger zwar eine Strafe angedroht, allerdings wird diese meist nicht durchgesetzt. Trotzdem ist es auffällig, dass die Wahlpflicht in vielen Ländern zu einer hohen Wahlbeteiligung führt.
Länder mit realer Wahlpflicht
Im Folgenden wollen wir einige Beispiel für Länder vorstellen, in denen die gesetzliche Wahlpflicht tatsächlich umgesetzt wird und die Nichtwahl im schlimmsten Fall im Gefängnis enden kann.
Türkei: Acht Euro Strafe
Die Wahlpflicht in der Türkei wurde erst 1986 eingeführt, was vergleichsweise spät ist. Die Wahlpflicht in der Türkei umfasst im Prinzip auch die etwa 1,4 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland. Allerdings wird deren Fernbleiben von der Wahl nicht geahndet. Wer jedoch in der Türkei lebt und den Wahlen fernbleibt, muss eine Strafe von acht Euro zahlen. Die Wahlbeteiligung liegt in der Türkei seit Einführung der Wahlpflicht bei ca. 86%. Dieser Wert ist im Vergleich zu anderen Ländern, in denen es eine Pflicht zur Wahl gibt, recht gering.
Kontensperrung in Bolivien
In Bolivien zahlen Nichtwähler beim ersten Fernbleiben von der Wahl eine Geldbuße. Regelmäßigen Nichtwählern droht hingegen der Einzug des Ausweises oder die Sperrung des Bankkontos.
Das Vorzeigemodell: Australien
Barack Obama nannte sie transformativ und überlegte im vergangenen Wahlkampf sie auch in den USA einzuführen. Auch in vielen anderen Ländern wird über die Einführung einer Wahlpflicht nach australischem Vorbild diskutiert.
In Australien besteht seit 1924 eine Wahlpflicht für die Bürger. Begründet ist sie in den großen Verlusten, die das Land im ersten Weltkrieg erlitten hat. So fielen etwa 60.000 Australier im Krieg. Um diesem Verlust Tribut zu zollen, wurde der Akt des Wählens zu einer symbolischen Pflicht erhoben. Bleibt ein Australier dem Wahllokal zum ersten Mal fern, muss er eine Strafe von 20 Dollar zahlen, was umgerechnet 15 Euro entspricht. Wer wiederholt nicht an den Wahlen teilnimmt, muss sogar mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Dabei wird die Wahlpflicht von den Australiern positiv aufgenommen. So sank die Wahlbeteiligung seit den 60er Jahren nie unter 92 Prozent und auch Protestwähler nehmen an den Wahlen teil, indem sie einfach ungültige Stimmzettel abgeben, doch taten dies in den vergangenen Jahren nur etwa 3 Prozent der Wähler.
Auch ein Einfluss der Wahlpflicht auf die Parteienlandschaft und das Wahlgeheimnis kann vermutet werden, so erhielten populistische Parteien in Australien bei den letzten Wahlen nicht mehr als 1 Prozent der Stimmen.
Länder mit symbolischer Wahlpflicht
In Ländern mit symbolischer Wahlpflicht besteht laut Gesetz zwar die Pflicht an politischen Wahlen teilzunehmen, doch werden die Sanktionen, die Nichtwählern angedroht werden, nicht mehr umgesetzt.
Keine Strafen mehr: Belgien
In Belgien existiert seit 1893 eine Wahlpflicht. Wahlberechtigten, die nicht an einer Wahl teilnehmen können mit bis zu 50 Euro Bußgeld bestraft werden. Wer seine Stimme nicht abgibt, dem droht gar die Streichung aus dem Wählerregister. Allerdings werden die angedrohten Sanktionen nicht mehr umgesetzt. Die Wahlbeteiligung liegt aber trotzdem bei etwa 90 Prozent.
Hohe Wahlbeteiligung: Luxemburg
In Luxemburg sind Wahlen zwar immer noch gesetzlich verpflichtend, doch wurde die Nichtwahl seit 1964 nicht mehr geahndet. Die Wahlbeteiligung liegt trotzdem bei durchschnittlich 95 Prozent.
Eintrag ins Führungszeugnis: Italien
In Italien ist die Stimmabgabe bei politischen Wahlen eine Bürgerpflicht. Dies schreibt Artikel 48 der Verfassung vor. Doch vor einem Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis muss sich heute kein italienischer Wahlberechtigter mehr fürchten, denn die das Fernbleiben bei einer Wahl wird nicht mehr bestraft. Die Wahlpflicht in Italien soll den Einfluss von Minderheiten auf die Regierungsbildung verhindern.
Auffällig ist, dass die Wahlbeteiligung in Ländern mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Wahlpflicht stets bei 85 – 95 Prozent liegt. Eine solche Wahlbeteiligung kann man sich bei uns in Deutschland nur wünschen. Doch wie hoch ist der Preis, den ein Land bei der Einführung einer Wahlpflicht zahlt? Ist der Wahlzwang nicht eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten, die in unserem Grundgesetz verankert sind? Das Thema Wahlpflicht ist kontrovers diskutiert und hat viele Vor- und Nachteile. Ein großer Vorteil ist sicher, dass die Wahlbeteiligung und mit dieser die Legitimation einer Regierung gesteigert werden kann. Doch gäbe es zur Steigerung der Wahlbeteiligung nicht auch andere Möglichkeiten? Diesen Fragen wollen wir uns in den folgenden Artikeln dieser Serie nähern.