Wahlalter senken - Pro und Contra

Wahlalter senken! –  diese Forderung kommt im politischen Alltag immer wieder auf, zuletzt erhoben von Grünen und FDP. Der Anlass ist in diesem Fall die durch Corona entstandenen Schuldenlasten, die nach Auffassung der Parteien einst von der jungen Generation getragen würden. Wie hoch das Wahlalter früher war und welche Pro- und Contra-Argumente es sonst noch gibt, lesen Sie hier.

Wahlalter senken – Eine häufige Forderung der Politik

Derzeit überbietet sich die Politik mit Vorschlägen zur Senkung des Wahlalters. Während sich der Grünenvorsitzende Robert Habeck Ende Mai für ein generelles Mindestwahlalter von 16 Jahren aussprach, wurde er vom FDP-Politiker Hermann Otto Solms noch überboten: Der 80-jährige Ex-Bundestagsvizepräsident sprach sich auf Twitter für ein Wahlrecht ab der Geburt aus. Das Stimmrecht würde bei diesem sogenannten Familienwahlrecht bis zur Mündigkeit der Kinder von den Eltern übernommen.

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In der FDP wird diese Forderung tatsächlich schon seit dem Jahr 2000 erhoben. 2017 startete der Deutsche Familienverband eine Kampagne mit derselben Forderung, der sich damals zahlreiche Politiker anschlossen – darunter Wolfgang Thierse (SPD), Jens Spahn und Paul Ziemiak (beide CDU). Die damalige Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann plädierte dafür, Kinder und Jugendliche dann wählen zu lassen, wenn sie sich für die Wahl registrieren – unabhängig vom Alter.

Und auch auf Landesebene wird immer wieder gefordert, das Wahlalter zu senken. So zum Beispiel in Sachsen im vergangenen Jahr. Die FDP wollte eine Herabsetzung auf 16 Jahre, die SPD und Grünen auf 14, die Linke auf Null. Im Februar 2020 kam es dann im Düsseldorfer Landtag zur Diskussion des Wahlalters, bei dem sich SPD und Grüne für eine Senkung aussprachen.

Früher war wählen erst ab 21 erlaubt

Obwohl es sich also bei der Senkung des Wahlalters um eine populäre Forderung handelt, liegt das Mindestwahlalter bei Bundestagswahlen bekanntlich nach wie vor bei 18 Jahren. Anders sieht es bei Landtagswahlen aus: In Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein liegt das aktive Wahlrecht bei 16, in den anderen Bundesländern bei 18 Jahren. Bei Kommunalwahlen gibt es sogar nur fünf Bundesländer, in denen das Wahlalter bei 18 Jahren liegt.

Auch in der Kinder- und Jugendpflege setzt man bei sogenannten U18-Wahlen, bei denen echte politische Wahlen für Jugendliche simuliert werden, auf ein niedriges Wahlalter. Verena Peck, Kreisjugendpflegerin des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, war für die dortige Jugendkommunalwahl 2020 verantwortlich, die mit POLYAS online durchgeführt wurde. Sie sagt im Interview mit POLYAS:

„Je früher man Jugendliche an das Thema Wahlen heranführt, desto besser. Der Bayerische Jugendring empfiehlt ein Mindestalter ab 14 Jahren bei Jugendwahlen für unter 18-Jährige. Wir haben uns für ein Mindestalter von 12 Jahren entschieden, weil Jugendliche, die jetzt 12 Jahre alt sind, bei der nächsten Kommunalwahl bereits volljährig und wahlberechtigt sind. So war unsere Zielgruppe Jugendliche im Alter von 12-17 Jahren.“

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Eines kann man festhalten: Die Forderung, das Wahlalter zu senken, bestätigt den langfristigen historischen Trend. Im Laufe der deutschen Demokratiegeschichte wurde das Wahlalter mehrfach herabgesenkt: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag es bei 25 Jahren. In der Weimarer Republik wurde das Alter mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer und Frauen dann auf 21 Jahre herabgesenkt – was der damaligen Volljährigkeit entsprach. Als diese in der Bundesrepublik auf 18 Jahre gesenkt wurde, wurde auch das Mindestalter für das aktive Wahlrecht gesenkt. In der DDR war jeder Staatsbürger wahlberechtigt, der das 18. Lebensjahr vollendet hatte.

Österreich ist Europas Vorreiter

Auch innerhalb der EU ist das Wahlalter nicht einheitlich. Vorreiter ist Österreich: Hier dürfen Jugendliche ab 16 Jahren bereits seit 2007 an allen Wahlen teilnehmen. 2018 zog Malta nach. In beiden Ländern waren Jugendliche ab 16 Jahren somit auch bei der Europawahl 2019 wahlberechtigt. Bei Regionalwahlen ist Wählen ab 16 zudem auch in Estland und Schottland möglich.

Im weltweiten Vergleich liegt das Wahlalter meistens bei 18 oder 20 Jahren. In einigen lateinamerikanischen Staaten – Brasilien, Ecuador, Nicaragua, Argentinien und Kuba – liegt das Wahlalter bei 16, im Iran sogar bei 15. Auf den Seychellen, in Osttimor und dem Sudan ist die Stimmabgabe mit 17 Jahren erlaubt. Das Wahlalter liegt in allen genannten Staaten jeweils unter dem der Volljährigkeit.

Pro und Contra zur Senkung des Wahlalters

Was spricht für und was gegen ein niedrigeres Wahlalter? In dieser Übersicht sind die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente zusammengefasst:

Pro:

  • Etwa 13 Millionen Bundesbürger – Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – werden bei Bundestagswahlen derzeit vom Wahlrecht ausgeschlossen.
  • Damit einhergehend besteht die Gefahr, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen weniger stark berücksichtigt werden, da sie an der Wahlurne keinen Druck ausüben können. Das gilt besonders in einer alternden Gesellschaft wie der deutschen. Bei der nächsten Bundestagswahl wird jeder Dritte über 60 sein.
  • Wenn Kinder und Jugendliche früher wählen dürften, würde damit auch ihre politische Bildung gefördert. Früher als heute stünden Heranwachsende vor der Aufgabe, sich mit den politischen Parteien auseinanderzusetzten. Auch dem Politikunterricht käme eine größere Bedeutung zu.
  • Heute sieht sich die Gesellschaft mit Herausforderungen wie dem Klimawandel konfrontiert, deren Folgen weit in die Zukunft reichen. Es wäre also folgerichtig, die Menschen, die am längsten an den Folgen zu tragen haben, schon heute an weitreichenden Entscheidungen zu beteiligen.

Contra:

  • Damit Kinder- und Jugendliche schon mit 16 wählen dürften, wäre eine Grundgesetzänderung notwendig denn in 38 Abs. 2 Satz 1 GG heißt es: „Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat (…).“ Ein Stimmübertragung an die Eltern könnte allerdings – je nach Auslegung – vom Grundgesetz abgedeckt sein. Die für eine Grundgesetzänderung nötige Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat herzustellen, wäre sehr aufwendig.
  • Durch die Herabsenkung des Wahlalters könnte die Wahlbeteiligung sinken, denn die Beteiligung von Jugendlichen liegt dort, wo diese wählen dürfen, unter dem Durchschnitt. Allerdings ergab eine Studie in Österreich, dass 16- und 17-Jährige häufiger wählen als 18- bis 20-Jährige. Die Befürworter eines niedrigeren Wahlalters hoffen allerdings darauf, dass die frühe Beteiligung junger Menschen an politischen Wahlen langfristig für eine höhere Wahlbeteiligung sorgt.
  • Von eher konservativer Seite wird eingewandt, Jugendliche hätten nicht die persönliche Reife und nötige politische Bildung, um ihre Stimme abgeben zu können. Dem kann man allerdings entgegenhalten, dass weder Charakter noch Bildungsstand der übrigen Bevölkerung ein Ausschlusskriterium für deren Wahlrecht ist.

Rechtliche Fragen und parteipolitische Interessen

Setzt man statt auf eine Wahl ab 16 auf ein Wahlrecht von Geburt an, ergeben sich dadurch weitere rechtliche Fragen – denn dann würden Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder treuhändisch ausüben. Viele Juristen sind der Ansicht, dies würde einigen der fünf Wahlgrundsätzen widersprechen. Allerdings gibt es auch gegensätzliche rechtliche Interpretationen. Ein Beispiel: Wird die Gleichheit der Wahl eingeschränkt, weil Eltern plötzlich mehr als eine Stimme haben, oder wird sie durch ein Familienwahrecht überhaupt erst verwirklicht, weil so Millionen von Kindern und Jugendlichen eine Stimme bekommen?

Solange diese Fragen nicht vor dem Bundesverfassungsgericht landen, bleibt die Antwort offen. Mit dem früheren Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, hat das Familienwahlrecht einen prominenten juristischen Fürsprecher – allerdings sieht dieser eine Absenkung des Wahlalters auf 16 eher skeptisch. Ob das Wahlalter gesenkt wird, hängt letztlich aber nicht nur von der Überzeugungskraft der Argumente ab, sondern auch von den Interessen der Parteien: Die einen erhoffen sich einen Gewinn von Stimmenanteilen, die anderen befürchten einen Verlust. Erst wenn diese Bedenken aufgelöst werden können, wird eine Senkung des Wahlalters wahrscheinlicher.

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