Klimabilanz der Online-Wahl vs. Brief und Urne: die POLYAS CO2e-Studie

Online-, Brief- oder Urnenwahl – welche ist die klimafreundlichste Methode? Eine neue POLYAS CO2e-Studie untersucht die Klimabilanz der drei Alternativen. Warum die digitale Stimmabgabe in der Regel die beste Alternative ist, lesen Sie in diesem Beitrag.

Wahlen sind ein grundlegendes Element unserer Demokratie. Doch wie groß ist der CO2-Fußabdruck unterschiedlicher Wahlmethoden? Die neue POLYAS CO2e-Studie, die von dem unabhängigen Beratungs- und Strategieunternehmen natureOffice durchgeführt wurde, vergleicht zur Beantwortung dieser Frage die Klimabilanz der Online-Wahl mit jener von Brief- und Präsenzwahl.

Die POLYAS CO2e-Studie basiert auf im Kyoto-Protokoll festgelegten Kriterien. CO2e steht dabei für CO2-Äquivalente. Bei dieser Bilanzierung werden nicht nur die Emissionen berücksichtigt, die auf Kohlenstoffdioxid (CO2) zurückzuführen sind, sondern auch die von weiteren Treibhausgasen mit viel höherem Treibhauspotential. Dazu zählen Methan (CH4), Lachgas (N2O), Schwefelhexafluorid (SF6), Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), Perfluorcarbone (PFCs) und Stickstofftrifluorid (NF3). So ist zum Beispiel das Treibhauspotenzial von Schwefelhexafluorid 24.300-mal höher als das von CO2.

Hier können Sie sich die vollständige Studie herunterladen >

POLYAS CO2e-Studie: Eingrenzung der Wahlmethoden

Um den CO2e-Fußabdruck zu ermitteln, wurden fünf Prozessschritte definiert: Wahlvorbereitung, Erstellung der Wahlunterlagen, Datentransfer an Wahlberechtigte, Wahlbetrieb und Fertigstellung des Wahlergebnisses. Bei der Online-Wahl kam zusätzlich der Prozessschritt Wahlbetrieb hinzu.

Die POLYAS CO2e-Studie zeigt, dass die Ursachen der Emissionen je nach Wahlmethode stark variieren. Bei Präsenzwahlen spielen die Anreise und die Nutzung von Räumlichkeiten eine entscheidende Rolle, während bei Online-Wahlen die technischen Geräte den größten Einfluss haben.

Für jede Wahlmethode wurden anschließend fünf unterschiedliche Szenarien erstellt, die sich in verschiedenen Aspekten, wie etwa der Verbreitung von Wahlinformationen, dem Versand der Wahlunterlagen und der Art der Stimmabgabe, unterscheiden. Auch die Dauer der Wahl variierte von wenigen Tagen bis zu drei Wochen. Die Anzahl der Wahlberechtigten und die Wahlbeteiligung blieb für die Vergleichbarkeit der Szenarien allerdings gleich.

Streuung der Emissionen pro Kopf bei Online-Wahl am geringsten

In den analysierten Präsenzwahl-Szenarien variieren die CO2e-Emissionen pro abgegebener Wählerstimme erheblich, von 56,560 g CO2e (Szenario 1) bis zu 1.206,278 g CO2e (Szenario 2). Der entscheidendste Faktor ist der Wahlort, wobei Szenario 3 (ländliche Umgebung, durchschnittlicher Anreiseweg beträgt 3 km) zu einem Anstieg von 773,419 g CO2e pro Stimme im Vergleich zu Szenario 1 (städtische Umgebung, durchschnittlicher Anreiseweg beträgt 0,542 km) führt.

Bei der Briefwahl variieren die CO2e-Emissionen pro abgegebener Wählerstimme von 62,767 g CO2e (Szenario 1) bis 438,532 g CO2e (Szenario 2). Der Hauptfaktor ist hier der Zustellradius.

Die CO2e-Emissionen pro abgegebener Wählerstimme bei Online-Wahlen variieren zwischen 100,614 g CO2e (Szenario 1) und 156,772 g CO2e (Szenario 2). Der entscheidende Einflussfaktor ist die Bereitstellung der Zugangsdaten zum Online-Portal, entweder per Post oder per E-Mail. Im Szenario 5, in dem die Unterlagen per Post versandt wurden, stiegen die Emissionen im Vergleich zu Szenario 1, in dem der Versand per E-Mail erfolgte, um 49,66 Prozent. Weitere Faktoren wie die Dauer der Wahl und das verwendete Gerät hatten geringfügigere Auswirkungen auf die Emissionen.

Sensitivitätsanalyse: Einfluss von Anzahl und Beteiligung der Wahlberechtigten gering

Außerdem wurde für die POLYAS CO2e-Studie ein Sensitivitätsanalyse durchgeführt, um den Einfluss der Anzahl der Wahlberechtigten und der Wahlbeteiligung zu untersuchen. Dabei wurde deutlich, dass die Wahlbeteiligung bei Brief- und Präsenzwahlen den größten Einfluss auf die Emissionen hatte, während sie bei Online-Wahlen vernachlässigbar war. Die Analyse zur Anzahl der Wahlberechtigten zeigt, dass nur bei Wahlen mit geringer Anzahl an Wahlberechtigten, deren Anzahl eine signifikante Auswirkung auf die Emissionen je Wählerstimme haben.

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Fazit: Online-Wahl im Schnitt am klimafreundlichsten

Vergleich der gesamten CO2e Emissionen verschiedener Wahlvarianten dargestellt als Boxplot. Das „X“ markiert den Mittelwert der Datensätze.

Vergleich der gesamten CO2e Emissionen verschiedener Wahlvarianten dargestellt als Boxplot. Das „X“ markiert den Mittelwert der Datensätze.

Die POLYAS CO2e-Studie zeigt, dass Präsenzwahlen unter optimalen Bedingungen, also einer lokal stark eingrenzbaren Wählerschaft, die Größtenteils zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Wahllokal kommt, eine umweltfreundliche Wahlmethode sein können. Aber bereits geringfügige Abweichungen von diesen Bedingungen führen zu höheren Emissionen, sodass die Präsenzwahl unter ungünstigen Bedingungen sogar am schlechtesten abschneidet. Der Einfluss von Faktoren auf die Klimabilanz ist bei Online-Wahlen ist im Vergleich zu Präsenzwahlen deutlich geringer.

Für Wahlen mit Wähler:innen aus einem großen Einzugsgebiet, bei denen Präsenzwahlen nicht praktikabel sind, stellt die Online-Wahl daher die beste Option dar. Die Briefwahl hingegen erweist sich von allen Optionen als die emissionsintensivste.

Franziska Niesch, Verfahrensingenieurin im Team von Nature Office und Autorin der POLYAS CO2e-Studie, würde jedenfalls online wählen, wie sie auf dem von POLYAS ausgerichteten Online Voting Summit 2023 erklärte. Das läge zum einen daran, dass sie auf dem Land wohne, und nach der Studie nun wisse, dass sie auf dem Weg zur Urne höhere Emissionen verursachen würde als bei der Online-Stimmabgabe. „Außerdem hat die Online-Wahl aber auch noch viele andere Vorteile, die sie mit sich bringt.“