Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie blinde oder sehbeeinträchtigte Menschen wählen? Die Antwort ist, sie wählen mit einer Stimmzettelschablone oder einer Hilfsperson. Wäre es nicht großartig, wenn sehbeeinträchtigte Menschen ohne Hilfsperson barrierefrei wählen und so ihr Wahlgeheimnis wahren könnten? Das ist mit POLYAS bereits möglich. Was wir tun, um in puncto Barrierefreiheit noch besser zu werden, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Barrierefreies Wählen soll einfach und sicher möglich sein
POLYAS liegt es sehr am Herzen, barrierefreies Wählen zu ermöglichen. Unsere Online-Wahlprodukte sollen für alle Menschen gleichermaßen nutzbar sein. Deshalb haben wir in diesem Frühjahr einen Usability-Test mit sehbeeinträchtigten Personen durchgeführt. Dabei haben wir nicht nur einiges über die Bedienbarkeit unserer Produkte gelernt, sondern auch über die alltäglichen Herausforderungen dieser Menschen und ihren kreativen Umgang mit diesen.
In Deutschland leben etwa 150.000 blinde und 500.000 seheingeschränkte Menschen (vgl. ABSV). Sie wählen alle entweder mit einer Ihnen nahestehenden Hilfsperson oder mit der sogenannten Stimmzettelschablone. Wie wir in unserem Usability-Test erfahren haben, sind diese Schablonen jedoch oftmals nicht leicht zu bedienen. Die Stimmzettel werden immer größer und in der Wahlkabine ist wenig Platz. Die Schablonen müssen jedoch passgenau angelegt werden, wie uns eine unserer Testpersonen erzählt. Setzt man die Schablone nicht richtig an, läuft man Gefahr, den Stimmzettel versehentlich ungültig zu machen.
Große Nachfrage nach Alternative
Diese etwas unbefriedigenden Lösungen für Sehbeeinträchtigte dürften unter vielen anderen der Grund für das überwältigende Interesse an unserem Test sein.
Bereits drei Tage nachdem wir die großen Behindertenverbände und – vereine in Deutschland und Hessen kontaktiert hatten, war unserer Teilnehmer:innenliste voll. Viele begeisterte Sehbeeinträchtigte schrieben uns, wie sehr es sie freue, dass wir uns dem Thema barrierefrei wählen widmen.
Barrierefreie Online-Wahlen sind, wie wir erfuhren, ein großes Thema in der Community der Blinden und Sehbeeinträchtigten. Corona tut hier aktuell sein Übriges. Viele Menschen schätzen nun die Möglichkeit, von zu Hause zu wählen und auch Sehbeeinträchtigte, für die der Gang in das Wahllokal oftmals herausfordernd ist, da sie beispielsweise eine unbekannte Strecke zurücklegen müssen, freuen sich hierüber.
Barrierefreiheit bei POLYAS
Bei der Entwicklung unserer Online-Wahl-Produkte versuchen wir stets die Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) hat 2019 bereits eine barrierefreie Online-Wahl mit POLYAS durchgeführt. Um unsere Produkte stetig zu verbessern, ist es uns dennoch wichtig, von der Zielgruppe ein aktuelles Feedback zu erhalten. Für sehende Menschen kann es zuweilen schwierig sein, die möglichen Komplikationen für Blinde und Sehbeeinträchtigte zu erkennen und bestmöglich zu lösen. Somit haben wir uns dafür entschieden, nach blinden oder sehbeeinträchtigten Testpersonen für einen Usability-Test zu suchen.
Dieser kann uns zudem bei unserem Ziel, eine BITV-Zertifizierung (Zertifikat für barrierefreie digitale Produkte) für unsere Produkte zu erhalten, unterstützen.
Der Usability-Test
Anders als bei unseren bisherigen Usability-Tests sollten die Testpersonen nicht unseren Konfigurator, sondern den reinen Wahlvorgang testen.
Für alle drei Produkte, die Online-Wahl, die Nominierungsplattform und das Live Voting wurden Testszenarien erarbeitet. So konnten die Testpersonen beispielsweise an einer fiktiven Gremienwahl einer Hochschule oder einer Versammlung eines fiktiven Tierschutzvereines teilnehmen.
In einem Videotelefonat konnten wir nun dabei zusehen, wie die Tester:innen Ihre digitale Wahleinladung öffneten und dann mit unseren Produkten wählten, abstimmten oder nominierten.
Diverse körperliche und technische Voraussetzungen
Sowohl der Grad der Beeinträchtigung als auch das Alter und der technische Kenntnisstand der Tester:innen war sehr divers. Manch eine:r war von Geburt an erblindet und fit im Umgang mit technischen Geräten, manch eine:r hatte erst im Laufe des Lebens eine Erblindung oder Sehbeeinträchtigung erworben. Die meisten Tester:innen arbeiteten mit einem Screenreader. Es gab jedoch auch Testpersonen, die eine elektronische Lupe zur Vergrößerung des Bildschirmes nutzten. Sowohl bei den Screenreadern als auch bei den genutzten Endgeräten und Browsern gab es Unterschiede.
Für unseren Test waren dies optimale Bedingungen, da wir auf diese Weise nicht nur ein breites Publikum abdeckten, sondern auch unterschiedliche technische Voraussetzungen. Denn jeder Mensch soll sowohl mit seinen technischen als auch persönlichen Voraussetzungen mit uns wählen können.
So funktionierte die Nutzung
Getestet wurden nicht nur unterschiedliche Features, sondern auch fehlerhafte Stimmabgaben, um auch dort mögliche Fehlerquellen zu erkennen. Die Schnelligkeit, mit der viele Tester:innen mithilfe Ihrer Screenreader durch die Anwendung navigierten, beeindruckte uns sehr. Wir waren sehr erfreut, dass die Nutzung der Produkte überwiegend sehr gut funktioniert hat.
Die Tester:innen haben uns während des Tests stets an Ihren Gedanken teilhaben gelassen und auch wiedergegeben, was die Screenreader an welchen Stellen vorlasen.
Ich habe am Anwender:innen-Test teilgenommen, weil ich wissen wollte, ob es hier für blinde Personen gelungen ist, ein barrierefreies digitales Verfahren zur Teilnahme an einer Wahl zu entwickeln. Ich hatte unterschiedliche Verfahren zur Teilnahme an Videokonferenzen bereits kennengelernt. Ich glaube, das war eine gute Voraussetzung, um an dem Anwender:innen-Test teilnehmen zu können. Während des Tests war es hilfreich und sinnvoll, mein Wahlverhalten zu beobachten, da ich bei der Auswahl der Kandidaten manchmal um eine Zeile verrutscht bin, was durch das Fehlen der visuellen Kontrolle leicht passieren kann. Dies kann sicher noch optimiert werden. Insgesamt ist das Wahlverfahren aber gut zu bewältigen, wenn der sehgeschädigte oder blinde Wählende Erfahrungen im Umgang mit digitalen Medien hat.
(Frank Mehler, Teilnehmer Anwender*innen-Test)
Künftig noch mehr Barrieren abbauen
An welchen Stellen genau sich die Nutzungsweise sehbeeinträchtigter Menschen von sehenden Menschen unterscheidet, ist die wichtigste Erkenntnis, die wir aus dem Test mitnehmen. Ein Beispiel hierfür sind Tabellen. Für sehende Personen bieten Sie Struktur und Übersicht, für Blinde können sie jedoch zu einer Unübersichtlichkeit führen. Diese Rückmeldungen im Usability Test werden uns künftig dabei helfen, eine andere Sichtweise bei der stetigen Weiterentwicklung unserer Produkte einzunehmen.
Ein nächster Schritt wird für uns nun sein, anhand des Usability-Tests Maßnahmen für unsere künftige Produktentwicklung abzuleiten. Damit wir uns stetig verbessern und es allen Menschen ermöglichen, barrierefrei von zu Hause aus zu wählen.
Mit POLYAS können Sie sowohl eine Online-Wahl als auch ein Live Voting oder eine Nominierung online durchführen. Erfahren Sie jetzt mehr über unsere Produkte.
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