Im kommenden Jahr sollen die Briten in einem Referendum darüber abstimmen, ob ihr Land in der Europäischen Union verbleibt oder nicht. Doch wie wahrscheinlich ist ein solcher „Brexit“? Und welche Folgen hätte er für Deutschland und die EU? Diese und weitere Fragen waren das Thema einer interessanten Podiumsdiskussion, zu der der Bundesverband Deutscher Banken in Berlin geladen hatte.

Die sehr gut besuchte Veranstaltung wurde vom Chef des Finanzressorts des Handelsblatts in Frankfurt, Daniel Schäfer, moderiert. Auf dem Podium diskutierten Alexander Radwan, MdB, Professor Dr. Matthias Herdegen, Universität Bonn und der Aufsichtsratschef von HSBC Trinkaus & Burkhardt, Andreas Schmitz.

Der Brexit wäre ein „außenpolitischer Totalausfall“

Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben seit langem erstmals die Befürworter eines Brexit die Nase wieder vorn. Allerdings ist es alles andere als sicher, dass es wirklich zu einem Ausstieg Großbritanniens kommen wird. Auf der Berliner Veranstaltung sagte Radwan, keiner der Akteure gehe derzeit davon aus, dass es zum Äußersten kommen wird. Die britische Wirtschaft warte erst einmal ab. Zu wichtig sei es für sie, weiterhin einen Fuß im EU-Binnenmarkt zu haben. Auch würde sich Großbritannien mit einem solchen Schritt außenpolitisch weiter isolieren. In Washington hält man laut Radwan überhaupt nichts von einem Brexit. Nach seinen Informationen wäre Großbritannien damit aus amerikanischer Sicht sogar ein außenpolitischer Totalausfall und damit „useless“.

Wegscheide für die Europäische Union

Während Herdegen meint, dass man der Frage des Brexit gelassen entgegen sehen könne, befürchten Radwan und Schmitz gerade in der aktuellen Flüchtlingsfrage neuen Sprengstoff für die Diskussion. Wenn es hier richtig anfängt zu brennen, wird die Zustimmung zum Brexit steigen, so Schmitz. Und Radwan sieht die Europäische Union sogar an einem Scheideweg. Es sei das erste Mal überhaupt, dass die Deintegration in der politischen Diskussion ein Thema ist. ‚Weniger Europa‘ ist damit zur politischen Option geworden. Wenn Großbritannien geht, könnte ein Exit auch für andere Länder eine Handlungsoption werden. Nach dem Motto: Europa verlassen, damit es uns besser geht.

Allerdings werden wir nur als einiges Europa zukünftig zwischen den großen Blöcken USA und China bestehen können, so Schmitz.

Cameron als neuer Tsipras?

Die Briten treibt vor allem eine Erosion ihrer Demokratie um. Zu wenig werde in Westminster entschieden, zu viel in Brüssel und am Europäischen Gerichtshof. Die EU würde zu viele Entscheidungen treffen, die nichts mit der Wirtschafts- und Währungsunion zu tun haben. Dieser enorme Regelungsbestand mache den Briten Sorgen. Auch die Deutschen unterstützen nach den Ergebnissen einer aktuellen FORSA-Umfrage mehrheitlich Camerons Reformideen.  Doch wird David Cameron der neue Alexis Tsipras werden?  Nach dem Motto: Ich fahre nach Brüssel, sacke was ein und fahre damit wieder heim? Nach Meinung der Diskussionsteilnehmer wird er nur Kosmetik als Mitbringsel zurückbringen können. Was er vor allem holen wird, werde finanzieller Natur sein, meint Schmitz. Und das bedeutet am Ende, dass Europa dafür bezahlen wird, damit Großbritannien in der EU bleibt.

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