Trends in der digitalen Politik

Heute Nachgelesen: „Online-Beteiligung – Elektronische Partizipation – Qualitätskriterien aus Sicht der Politik“ von Norbert Kersting. Erfahren sie, wie der Politikwissenschaftler politische Online-Beteiligungsinstrumente auf Repräsentativität, Inklusion und Offenheit untersucht. Kurz: Wie kann Politik im Netz die Bevölkerung tatsächlich erreichen? Beteiligen sich tatsächlich alle Gruppen online?

Untersucht werden von Kersting vier Aspekte der politischen Beteiligung:

  • Direkte Teilhabe in Form von Bürgerversammlungen und Petitionen
  • Deliberative Teilhabe durch Diskussionsbeiträge
  • Demonstrative Teilhabe durch Demonstrationen und öffentliche Meinungskundgebung
  • Repräsentative Teilhabe in Form von Stimmabgabe über das Internet

 

Direkte Beteiligung online

Auf dem Gebiet der direkten Beteiligung handelt es sich v.a. um ein modernes Vorschlagswesen, das primär über das Internet, aber teilweise auch mit Offline-Präsenzveranstaltungen (z.B. Bürgerforen) umgesetzt wird. Bei den Präsenzveranstaltungen zeigt sich, dass die Altersgruppe der 45-65jährigen überrepräsentiert ist. Auch sind die Teilnehmer überwiegend männlich und haben höhere Bildungsgrade. Ein ähnliches Bild zeigen reine Online-Verfahren, bei denen es ebenfalls überwiegend hochgebildete männliche Teilnehmer sind, die Vorschläge einreichen, Kommentare abgeben und sich an Abstimmungen beteiligen.

Deliberative Beteiligung online

Bereits seit den neunziger Jahren ist ein Trend zu deliberativen, dialogorientierten Beteiligungsformen in der politischen Kommunikation festzustellen. Zu den deliberativen Kommunikations-Instrumenten gehören Foren (im Netz oder in der Realität), aber auch Beiräte wie beispielsweise Jugend-, Ausländer-, Behinderten- und Seniorenbeiräte in kommunalen Gemeinderäten. Hier können die Vertreter der jeweiligen Gruppen ihre Interessen direkt in der politischen Entscheidungsfindung einbringen.

Bei Open Space-Konferenzen, dem World Cafe und in Webforen zeigt sich, dass insbesondere die Gruppe der „Zeitreichen“ dominiert. Die Diskussionen werden zunehmend von Senioren bestimmt. Allerdings ist insgesamt nur ein geringer Anteil der Webforen überhaupt politisch ausgerichtet. Vielmehr setzen sich stärker Weblogs mit Kommentarfunktion durch. In den Foren ist überwiegend auch kein interaktiver Austausch von Ideen zu beobachten, sondern vielmehr eine Aneinanderreihung von Monologen. Die Erwartung einer neuen Agora mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Diskursen wird in der Mehrzahl der Webforen nicht erfüllt. Vielmehr steht für die meisten aktiven Teilnehmer die Präsentation der eigenen Meinung im Vordergrund.

Demonstrative Beteiligung online

Die demonstrative politische Beteiligung umfasst unterschiedliche Formen symbolischer Partizipation. In der Offline-Welt gehört dazu die Beteiligung an Demonstrationen oder das Tragen von Sympathie-Buttons für bestimmte Parteien.

Im Online-Bereich betrachtet Kersting hier die sozialen Medien, wie beispielsweise Facebook. Er stellt fest, dass politische Themen hier eher marginal in Erscheinung treten und politische Facebook-Seiten selten sind. In den sozialen Medien zeigt sich eine Männerdominanz der älteren Altersgruppen, wobei hier eher die Generation X aktiv ist, als die „Silver Surfer“. Insgesamt können die sporadischen Online-Diskussionen auf Facebook aber nur als Mikroaktivität aufgefasst werden, die weder darauf abzielen neue Beteiligungen zu schaffen, noch ein Thema auf die politische Agenda zu setzen. Vielmehr wird von den Usern versucht, sich individuell eine „aktivistische Identität“ zu schaffen.

Repräsentative Demokratie online

Im Rahmen der repräsentativen Demokratie betrachtet Kersting auch Online-Wahlen und kommt zu dem Schluss, dass diese bei ihrer Einführung zunächst nur eine geringe Steigerung der Wahlbeteiligung zur Folge hätten, sich aber mittelfristig eine Verschiebung vom analogen Wählen zur Online-Wahl ergab.

Die Online-Stimmabgabe bei politischen Wahlen wird überwiegend von Menschen mit höherer Bildung genutzt. Wähler mit Universitätsabschluss seien bei der Nutzung von Online-Wahlen überrepräsentiert. Allerdings zeigt auch die Verschiebung in Richtung Briefwahl, dass es eine Tendenz in Richtung Stimmabgabe außerhalb des Wahllokals gibt. Für Kersting ist es daher nur noch eine Frage der Zeit, wann, wie in anderen Ländern, auch in Deutschland die Debatte um politische Online-Wahlen neu beginnt und positiv entschieden wird.

Resümee

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien konnten bislang nur begrenzt beteiligungsferne Bevölkerungsgruppen politisch (re-)aktivieren. Sie fungieren vielmehr als Kanäle für Mobilisierung, Information, Kommunikation und Engagement. Auch wenn sie schon zur Normalität gehören, werden sie in Zukunft weiterhin klassische Wege der Beteiligung ersetzen, resümiert Kersting.

Den vollständigen Beitrag „Online-Beteiligung – Elektronische Partizipation – Qualitätskriterien aus Sicht der Politik“ von Norbert Kersting finden Sie im Buch: Kathrin Voss (Hrsg.), Internet und Partizipation – Bottom-up oder Top-down? Politische Beteiligungsmöglichkeiten im Internet , SpringerGabler Verlag, Wiesbaden, 2014, ISBN 978-3-658-01028-7 auf den Seiten 53 – 85