Ich behaupte mal, keine Zeit im Jahr ist so analog wie Weihnachten. Es werden Grußkarten geschrieben, Geschenke per Hand verpackt, Fensterbilder und Laternen gebastelt, Bäume geschmückt und Gesellschaftsspiele gespielt. Das Deckenlicht wird ausgeschaltet, um der besinnlichen Stimmung Platz zu machen, die Kerzenschein in den Wohnräumen einfordert.

Plötzlich verabreden sich selbst die Digitalisten unter uns zum Plätzchenbacken.

Irgendwie wird auch die klassischste, verstaubteste oder langweiligste Tätigkeit an Weihnachten mit Feenzauber bestäubt und dadurch gesellschaftsfähig. Oder singen Sie auch zu einer anderen Zeit im Jahr mit der Familie Lieder unter einem Baum, spielen Mikado oder schauen zum hundertsten Mal „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“?

Also ich nicht. Trotzdem macht all das zu genau dieser Jahreszeit Spaß. Und das ist auch gut so. Es erdet. Weil ich aber bin, wie ich bin, nämlich ein Durchschnittsdigitaler auf der Suche nach der digitalen Gesellschaft (mein Name ist übrigens Bernd!), frage ich mich auf der anderen Seite natürlich gerade jetzt, wie digital eigentlich unser Weihnachtsfest mittlerweile geworden ist.

Wie digital ist unser Weihnachten?

Zuhause am elektrischen Kaminfeuer

Die Tochter meiner Schwester ist zurzeit im Rahmen eines Schüleraustauschs in Amerika. Weihnachten nach Hause zu kommen, war schlicht und einfach zu teuer. Was von der Mutter betrauert wird, lindert das World Wide Web. Denn via Skype schalten wir unsere Weltenbummlerin zur Bescherung dazu. Der Fernseher zeigt derweil ein prasselndes Kaminfeuer.

Während alle ihre Geschenke bewundern, helfe ich ein wenig beim Tischabräumen. Ich bringe die Teller in die Küche und bleibe – wie so oft – vor dem neuen besten Küchen-Freund meiner Mutter stehen. Er heißt „Thermomix“ und sieht einer normalen Küchenmaschine erstaunlich ähnlich. Normal ist das Ding laut Mutter aber nicht: „Bernd, der Thermomix kann einfach ALLES!”

Mutters Thermomix hat sogar einen Touchscreen. Sie schickt sich über WLAN Rezepte vom zugehörigen Rezeptportal auf ihr Gerät oder nutzt die „Guided-Cooking-Funktion“. Dabei werden alle Einzelschritte des Rezepts angezeigt und der Thermomix wird jeweils automatisch voreingestellt.

Ich überlege, ob jetzt eigentlich meine Mutter das Weihnachtsessen gekocht hat – oder der Thermomix?

Ich muss es einfach zugeben: Unser Weihnachten zuhause ist ganz schön digital. Im nächsten Augenblick greift mein Vater zur Fernbedienung und ich höre mich sagen, dass auf Netflix eine schöne Auswahl an Weihnachtsfilmen bereitsteht.

Achja, die besinnliche Weihnachtszeit. Aber sie bringt uns auch meine weit entfernte Nichte an den Tisch – gerade für meine Schwester hat das digitale Weihnachten also eine absolute Existenzberechtigung.

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Des Deutschen liebsten Geschenke

 

Digital(e) Weihnachtsgeschenke kaufen

Weihnachten ist schon lange ein Fest des Konsums. Insgesamt erwartet man, dass die Deutschen dieses Jahr rund 259 Euro in Geschenke investieren – das sind 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Kein Wunder, dass die höchsten Umsätze der Einzelhändler im Dezember gemacht werden.

Doch auch wenn die Kaufhäuser vor Weihnachten proppenvoll sind – sie könnten tatsächlich voller sein. Denn nicht wenige shoppen online und sorgen damit für Platz an den Kaufhaus-Kassen. Gerade an Weihnachten gibt es Last-Minute-Angebote, Anbieter überschlagen sich mit 24-Stunden- oder Same-Day-Auslieferungen. Dass die Postboten vor lauter Paketen nicht mehr wissen, wo oben und unten ist, liegt nicht nur an den persönlich verschickten Weihnachtspäckchen, sondern auch am Versandhandel. Aber auch das passiert „alle Jahre wieder”.

Immerhin wollen dieses Jahr 84 Prozent der Deutschen ihren Lieben mit digitalen Weihnachtsgeschenken eine Freude machen. Gerne werden übrigens auch Gutscheine für Onlineshops verschenkt – also digitales Guthaben. Die werden laut Statista sogar immer beliebter: Verschenkten vor zwei Jahren noch rund 22 Prozent der Bundesbürger entsprechende Guthaben, werden es in diesem Jahr mehr als ein Drittel sein.

Da fragt man sich: Wer kennt neben all dem Geschenkewahn eigentlich noch die Weihnachtsgeschichte? Was war, bevor es Coca-Cola gab? In Zeiten, in denen selbst der Pontifex einen Twitter-Account hat, darf natürlich auch die „digitale Weihnachtsgeschichte“ nicht fehlen. Das Schweizer Unternehmen Migros hat sich schon 2012 dieses Themas angenommen: Die Weihnachtsgeschichte – digital.

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Weihnachtliches goes digital

Weihnachtsshopping

Weihnachten in der Welt der Apps

Backrezepte für Weihnachtsplätzchen stammen oftmals aus den bekleckerten Kochbüchern, die schon Oma hatte. Allerdings immer öfter auch aus beliebten Apps für Smartphones und Tablets (z. B. „Chefkoch“), in denen viele Nutzer ihre traditionellen Backrezepte mit anderen teilen.

Lange nach Weihnachtsmärkten suchen muss man auch nicht mehr. Wer aus nostalgischen Gründen gerne die Lokalzeitung durchblättert, kann das natürlich immer tun. Wer nichts verpassen möchte, behilft sich mit der App „Weihnachtsmarktsuche 2015“.

Ich habe sogar herausgefunden, dass der Weihnachtsmann selbst in Apps stecken kann. Bei „Talking Santa“ kann man Texte ins Mikrofon sprechen, die der digitale Weihnachtsmann dann für den Empfänger wiederholt. Über den App-Santa kann man auch erfahren, ob man selbst artig genug für Geschenke war.

Schon gewusst?
Weihnachten auf dem Smartphone