Die EU-Kommission hat ein umfangreiches Projekt gestartet, das den Titel „Digitaler Binnenmarkt“ trägt. Und der Name ist hier Programm – denn genau das ist das erklärte Ziel der ganzen Sache: Es soll ein digitaler Wirtschaftsraum innerhalb der 28 EU-Mitgliedsstaaten entstehen.

Roaming-Gebühren innerhalb der EU, hohe Lieferkosten, blockierte Netzinhalte, kein ausreichender Käuferschutz, keine einheitlichen Mehrwertsteuer-Gesetze und vieles, vieles mehr machen dem Binnenmarkt auf digitaler Ebene das Leben schwer. Kein Wunder also, dass Online-Käufer lieber in Deutschland bestellen, wenn z. B. die Lieferkosten anderswo teurer sind, als das eigentliche Produkt.

Das Projekt „Digitaler Binnenmarkt“ soll alles umkrempeln, modernisieren und die Wirtschaft z. B. in Bezug auf den Online-Handel ankurbeln. Das Projekt fußt dabei auf drei Säulen. Befeuert wird es vom EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, und seinem Kollegen Andrus Ansip, Vizepräsident und EU-Kommissar für Digitalen Binnenmarkt.

 

„Digitaler Binnenmarkt“: Wieso, weshalb, warum?

Wer ist Günther Oettinger?

Günther Oettinger heißt eigentlich Günther Hermann Oettinger und wurde am 15. Oktober 1953 in Stuttgart geboren. Er ist deutscher Politiker, seine Partei ist die CDU. Fünf Jahre lang, nämlich bis 2010 war er Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Dass er gerade in diesem Blog von Interesse ist, liegt daran, dass er seit 2014 EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft ist.

Und wer ist Andrus Ansip?
Sein Kollege ist der Chemiker und Politiker Andrus Ansip, der bis 2014 Ministerpräsident der Republik Estland war. Jetzt ist er nicht nur EU-Kommissar für den Digitalen Binnenmarkt, sondern auch Vize-Präsident der EU-Kommission.

Zusammen haben die beiden ein Strategiepapier vorgestellt, dass sich um den Digitalen Binnenmarkt dreht.

Was will der Digitale Binnenmarkt?

Das ganze Vorhaben rund um den Digitalen Binnenmarkt wird von der Europäischen Kommission in drei Politikbereiche – drei Säulen – aufgeteilt. Das sind folgende:

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1. Besserer Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen

Es gibt richtige Grenzen zwischen Ländern und es gibt digitale Grenzen. Und Letztere sind laut EU-Kommission nicht mehr zeitgemäß. Sie behindern z. B. den Online-Handel und sollen deshalb aufgehoben werden. Konkrete Maßnahmen dafür:

  • Kostengünstige, grenzüberschreitende Zustelldienste – damit auch außerhalb der eigenen Nation gekauft und verkauft wird.
  • Es soll einen besseren, grenzübergreifenden Zugang zu Rundfunkdiensten in Europa geben.
  • Das sogenannte Geoblocking soll abgeschafft werden, damit EU-Mitglieder auch Angebote aus anderen EU-Ländern nutzen können. Was Geoblocking ist, weiß jeder, der schon mal versucht hat, im Ausland auf seinen Netflix-Account oder Youtube-Inhalte zuzugreifen – und dann die Meldung erhielt, dass das nicht möglich sei.
  • Das Urheberrecht soll modernisiert werden.
  • Die Mehrwertsteuer-Vorschriften sollen vereinfacht und vereinheitlicht werden.

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2. Optimale Rahmenbedingungen für digitale Netze und Dienstleistungen
Jetzt wird es hochtechnisch – denn erforderlich sind hochleistungsfähige Infrastrukturen, die sicher und vertrauenswürdig sind. Und es braucht Gesetze, Vorschriften und Richtlinien, damit fairer Wettbewerb und Chancengleichheit gewährleistet sind. Genannt wird Folgendes:

  • Bedarfsgerechte Telekommunikationsvorschriften
  • Eine Mediengesetzgebung für das 21. Jahrhundert
  • Umfassende Untersuchung der Rolle von Online-Plattformen (z. B. Suchmaschinen oder soziale Medien)
  • Stärkung des Vertrauens in Online-Dienste – Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit, z. B. im Hinblick auf personenbezogene Daten

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3. Digitale Wirtschaft als Wachstumsmotor

Um hier den Rubel ins Rollen zu bringen braucht es Investitionen in neue Infrastrukturen, einen Haufen Forschung, neue Ideen und Innovationen. Die Industrie soll wettbewerbsfähiger werden und z. B. mit denen von USA und Asien mithalten können. Die Maßnahmen hier:

  • Eine Digitalisierung der Industrie
  • Initiativen zum freien Datenfluss und zu einer europäischen Cloud
  • Stärkung der IT-Kompetenzen und elektronische Behördendienste

Insgesamt soll es einen kompletten Ausbau des Breitbandnetzes in Europa geben, aber auch die Möglichkeit von Cloud-Speicherdiensten, die die riesigen Datenmengen fassen können – und die nicht in den USA ansässig sind.

In der Kritik

Ein solches Mammutprojekt wird kritisiert – das gehört zu jedem politischen Dialog. Das Strategiepapier, so heißt es auch, sei nicht weit genug gedacht, nicht genau genug spezifiziert und eines der größten Themen – die digitale Überwachung durch Geheimdienste – findet keine Erwähnung. Großer Kritiker des Strategiepapiers ist beispielsweise die Piraten-Partei.