E-Commerce, Online-Banking und Download-Services für Musik kann man inzwischen fast schon als Klassiker bezeichnen. Auch an Car-Sharing haben wir uns längst gewöhnt. Und während wir unsere online bestellte Pizza genießen, schauen wir einen Film an – natürlich aus dem Internet gestreamt. Soweit – so gut. Aber what’s next?
Drohnenlieferung bis vor die Haustür? Der Wecker, der uns dank Internetanschluss 10 Minuten früher weckt, wenn ein Stau auf unserer Arbeitsstrecke liegt? Oder können wir uns alle möglichen Dinge individuell selbst konfigurieren und dann direkt zu Hause per 3D-Drucker ausdrucken lassen? Und wann kommt es denn nun endlich, das so oft gepriesene, selbstfahrende Auto? Einen kleinen Blick in die Zukunft gewährt uns der Gartner Hype-Zyklus.
Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies
Seit 2005 veröffentlicht das Marktforschungs- und Analyseinstitut Gartner Inc. jedes Jahr im August den Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies. Er gibt Auskunft darüber, welche Phasen relevante Technologien -branchenübergreifend- hinsichtlich der in sie gesetzten Erwartungen in ihrem technologischen Lebenszyklus bereits erreicht haben. Dabei wird sichtbar, welche Technologien noch überbewertet werden und welche sich bereits etabliert haben oder auf dem Weg dorthin sind. Die Darstellung erfolgt in einem Diagramm, bei dem auf der Y-Achse der Grad der Erwartungen (Aufmerksamkeit) und auf der X-Achse die Möglichkeiten des realen produktiven Einsatzes aufgetragen werden. In diesem Diagramm machen sich neue Technologien nun auf die Reise durch einen typischen Zyklus, der sich in fünf Phasen aufteilt.
Grafikquelle: „Gartner Hype Zyklus“ von Idotter Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
Die fünf Phasen des Hype-Cycle
- Innovation Trigger (technologische Impulse/Auslöser)
In dieser ersten Phase kommen erste Erfolgsmeldungen, die von den Medien aufgegriffen werden. Der technologische Durchbruch oder Start eines Projektes findet zu diesem Zeitpunkt vor allem beim Fachpublikum Beachtung. Ob die Technologien jemals zu einem breiten Einsatz kommen werden ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar.
- Peak of Inflated Expectations (Höhepunkt/Gipfel der überzogenen Erwartungen)
In dieser Phase kommt es zu einem übertriebenen Enthusiasmus. Die Berichterstattung steigt dabei stark an und erreicht auch das allgemeine Publikum. Die Erwartungen an die neue Technologie steigern sich immer weiter, bis sie ihren Höhepunkt erreichen. Dieser Höhepunkt wird dann erreicht, wenn gleichzeitig auch Misserfolge („Kinderkrankheiten“) sichtbar werden, die Grenzen der Möglichkeiten aufzeigen.
- Trough of Disillusionment (Tal/Tiefpunkt der Ernüchterung/Desillusionierung)
In dieser Talphase ist es zu der Erkenntnis gekommen, dass die neue Technologie nicht alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllen kann. Die Berichterstattung ebbt ab. Konnten bis hier hin nicht genug „early adopter“ gewonnen werden, scheiden viele Technologien an diesem Punkt wieder aus dem Wettbewerb aus.
- Slope of Enlightenment (Pfad der Erkenntnis/Aufklärung)
In der vierten Phase wird schließlich sichtbar, wie die Technologie nutzbringend eingesetzt werden kann. Weiterentwicklungen (z.B. zweite und dritte Generationen) der Technologie entstehen. Auch wenn die mediale Berichterstattung stark abgenommen hat, kann dies auf den „Pfad der Erleuchtung“ führen. Innovationsoffene Unternehmen greifen die Technologie auf und integrieren sie in ihren Workflow.
- Plateau of Productivity (Plateau der Produktivität)
Es erfolgt ein breiter Einsatz der Technologie, deren Eigenschaften nun finanzielle Vorteile für ihre Nutzer bringen. Es kommt zu einer allgemeinen Anerkennung und Akzeptanz der Vorteile. Das Ende des Plateaus ist davon abhängig, ob es einen Massenmarkt oder einen Nischenmarkt für die jeweilige Technologie gibt.
Prognosequalität des Hype Cycle
Gartner gibt im Hype Cycle of Emerging Technologies zudem Prognosen ab, in welchem Zeitraum die jeweilige Technologie das Plateau of Productivity erreichen wird. Diese sind farblich dargestellt. Allerdings ist ein jährlicher Vergleich der Hype Cycles nicht uneingeschränkt möglich, da Gartner auch einzelne Technologien kommentarlos wieder aus dem Zyklus entfernt. Eine Untersuchung von Computerwoche ergab allerdings, dass die von Gartner angestellten Prognosen häufig durchaus realistisch sind. Computerwoche konnte einige Bestätigungen feststellen.
So prognostizierte Gartner im Jahr 2006, dass sich Tablet-PCs ab 2005 innerhalb von 2 – 5 Jahren auf dem Plateau of Productivity befinden würden, was sich mit der Markteinführung des Apple Ipad im Jahr 2010 bestätigt hat. Dem 3D-Druck, der im Jahr 2007 erstmalig in den Hype-Zyklus aufgenommen wurde, hatte man damals 5 – 10 Jahre prognostiziert, bis er sich breiter durchsetzen würde. Heute attestiert Gartner dem Enterpise-3D-Druck, dass er sich bereits auf dem „Pfad der Erleuchtung“ befindet, während das Consumer 3D-Printing noch etwa 5 – 10 Jahre brauchen wird, bis das Plateau of Productivity erreicht wird. Ähnlich sieht es mit dem selbstfahrenden Auto aus. Dieses befindet sich gerade auf dem Gipfel der überzogenen Erwartungen, was man nachvollziehen kann, wenn man die aktuelle Berichterstattung darüber verfolgt. Laut Gartner wird es noch 5-10 Jahre dauern, bis in diesem Bereich das Produktivitätsplateau erreicht ist.
Auswirkungen auf bestehende Geschäftsmodelle
Mit neuen technischen Möglichkeiten entstehen auch neue Geschäftsmodelle. Damit wiederum wächst der Druck auf die etablierten Marktteilnehmer, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und anzupassen. Andernfalls droht ihnen, durch den „digitalen Darwinismus“ aus dem Markt gedrängt zu werden. Das mussten bereits so prominente Beispiele wie Kodak, Neckermann und Quelle, Zeitungsverlage, Mediamarkt oder Weltbild erleben. Es ist also auch für jedes Unternehmen überlebensnotwendig, einen gewissen Überblick darüber zu haben, welche künftigen Technologien womöglich in der Lage sind, sie und ihre Produkte bzw. Dienstleistungen zu ersetzen. Kann die Drohnenlieferung oder der 3D-Druck Paketdienste morgen in Bedrängnis bringen? Werden Fernfahrer übermorgen nicht mehr benötigt, weil LKW ohne Fahrer fahren? Ja, denn alles was digitalisierbar ist, wird digitalisiert werden und alles was vernetzbar ist, wird vernetzt werden. Das gilt auch für die Industrie.
Industrie 4.0
Der Begriff Industrie 4.0 steht für eine neue industrielle Revolution. Im Mittelpunkt dieser vierten industriellen Revolution stehen Objekte, Geräte, Maschinen und Anlagen, die durch Sensoren, Steuerungen und über das „Internet der Dinge“ vernetzte Software „intelligent“ werden. Der Begriff „Internet der Dinge“ beschreibt eine globale Netzwerkstruktur, an die Maschinen und Geräte angeschlossen werden und über die sie miteinander kommunizieren. Dadurch können sich Materialien den schnellsten Weg durch die Werkhalle zur Maschine suchen, Maschinen sich aufgrund der Informationen des Werkstücks automatisch umrüsten und Ersatzteile automatisch bestellt werden. In Zukunft wird es also auch in der Produktion darauf ankommen, Produkte durch intelligent vernetzte Maschinen schneller, effizienter und kostengünstiger zu produzieren, als der Wettbewerb.
Die Zukunft hat längst begonnen
Jedes Unternehmen ist verwundbar. Dabei gilt auch kein „too big to fail“. Nur diejenigen Unternehmen, die Veränderungen schnell aufgreifen und in ihrem Geschäftsmodell umzusetzen wissen, werden die Gewinner von morgen sein. Es stellt sich also nicht die Frage, ob man lieber „First Mover“ oder „Late Mover“ sein möchte und noch abwartet. Denn die „Late Mover“ von heute können die „First Loser“ von morgen sein.
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