Zur diesjährigen Bundespräsidentenwahl in Österreich sind so viele Kandidaten angetreten wie seit 1951 nicht mehr. Insgesamt sechs Anwärter kämpfen um die Stimmen der Wähler. Wir haben uns die Kandidaten vorab genauer angesehen.
Mit Norbert Hofer (FPÖ), Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) haben die populärsten Parteien Österreichs drei starke Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zur Wahl aufgestellt. In den Umfragen allerdings liegt derzeit ein unabhängiger vorne: Alexander van der Bellen. Ebenfalls stark in den Umfragen ist die einzige Frau im Rennen: Irmgard Griss, die beratend von den NEOS unterstützt wird. Doch nicht nur Politiker und Juristen bewerben sich um das Amt des Bundespräsidenten, auch der Ex-Bauunternehmer Richard „Mörtel“ Lugner tritt zur Wahl an.
Die Österreicher wählen ihren Bundespräsidenten übrigens in einer direkten Personenwahl. Erfahren Sie hier mehr zur Persönlichkeitswahl.
Irmgard Griss – Die familienorientierte Karrierefrau
Die Juristin liegt im Wahlkampf derzeit mit 22% auf dem dritten Platz. Sie zieht nicht für eine Partei ins Rennen, wird aber von den NEOS unterstützt.
Irmgard Griss war bis 2011 Präsidentin des Obersten Gerichtshofs in Östereich. Bis 2013 war sie Mitglied des Obersten Patent- und Markensenates, seit 2010 sogar dessen Präsidentin. Im Jänner 2015 wurde sie als internationale Richterin an den neuerrichteten Singapore International Commercial Court berufen. Griss leitete außerdem die Untersuchungskommission zur Causa Hypo Alpe Adria im Jahr 2014.
Ihre Kandidatur gab die Grazerin am 17. Dezember 2015 via Facebook und Youtube bekannt. In ihrem Wahlprogramm spricht sich Irmgard Griss für eine Erbschaftssteuer und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus. Außerdem will sie sich für den Ausbau der Ganztagsschulen einsetzen. Die Politologen Peter Hajek und Wolfgang Bachmayer sehen Griss in ihrer politischen Ausrichtung eher rechts der Mitte.
Norbert Hofer – Der eingefleischte Österreicher
Norbert Hofer tritt für die rechtspopulistische FPÖ zur Wahl des Bundespräsidenten an. Laut Umfragen liegt er mit 24% auf dem zweiten Platz. Seit Oktober 2013 ist er Nationalratspräsident. Den Weg in die Politik beschritt Hofer im Jahr 1994 als Wahlkampfleiter der FPÖ-Burgenland. Bis 2007 war er auch deren Landesparteisekretär. Der seit einem Paragliding Unfall im Jahr 2003 auf einen Gehstock angewiesene Hofer gab seine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten am 28. Jänner 2016 bekannt. Politisch lässt er sich im rechten Feld verorten, der Burgenländer steht für Heimatverbundenheit, stärkere Grenzkontrollen, eine geringere Aufnahme von Flüchtlingen in Österreich und ist EU-Kritiker.
Rudolf Hundstorfer – Kandidat der Wirtschaft
Der Kandidat der SPÖ liegt derzeit auf dem vierten Platz im Kampf um die Wählerstimmen. Nur 15% des Bundesvolkes würden ihn wählen. Hundstorfer gab seine Kandidatur am 15. Jänner 2016 bekannt. Bis dahin war er Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz der Regierung Faymann. Bis 2008 war er außerdem Präsident des österreichischen Gewerkschaftsbundes. Im Zuge der BAWAG Affäre übernahm Hundstorfer im März 2006 die Präsidentschaft des ÖGB. In die Kritik geriet er, weil er am 8. September 2005 die Übertragung von Verbindlichkeiten der BAWAG auf die ÖGB in Höhe von 1,53 Milliarden Euro in Vertretung aller drei BAWAG-Aktionäre unterschrieb und dies bis Juni 2006 geheim hielt.
Politisch ist Hundstorfer links der Mitte zu verorten, er gehört der sozialdemokratischen Partei Österreichs an. In der Flüchtlingsfrage steht er für eine europäische Lösung ein.
Andreas Khol – Der Kopfmensch
Khol kandidiert für die ÖVP für das Amt des Bundespräsidenten. Umfragen zufolge würden ihn 11% der Wahlberechtigten wählen. Damit liegt er momentan auf dem 5. Platz. Der Südtiroler gab seine Kandidatur am 10. Jänner 2016 im Anschluss an eine Sitzung des Parteivorstands der ÖVP bekannt.
Der studierte Jurist war 23 Jahre lang abgeordneter im Nationalrat und hatte über vier Jahre die Präsidentschaft des Nationalrats inne. Seit 2005 ist Andreas Khol Obmann des Seniorenbundes der ÖVP und sitzt im Parteivorstand der ÖVP.
Khol vertritt politisch gesehen die Werte der konservativen Mitte. So vertritt er eine strenge Flüchtlingspolitik.
Alexander van der Bellen – Der österreichische Winfried Kretschmann?
Alexander van der Bellen tritt als unabhängiger Kandidat zur Bundespräsidentschaftswahl 2016 an. Er wird unterstützt von den Grünen und kann in Umfragen derzeit 25% der Wählerstimmen für sich verbuchen. Damit liegt er im Wahlkampf knapp vorn. Van der Bellen gab seine Kandidatur am 8. Jänner 2016 via Youtube bekannt. Er war bis 2016 Abgeordneter im Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderats für die Grünen. Bis 2012 war er außerdem Abgeordneter im Nationalrat.
Politisch gesehen ist Van der Bellen als Grüner eher links der Mitte anzusiedeln, durch seine ruhige, kompetente Art und seine Verbundenheit zu Österreich dürfte er jedoch auch klassische SPÖ- und ÖVP-Wähler von sich überzeugen können.
Richard Lugner – Der Unentschlossene
Der Stammgast des Wiener Opernballs und ehemalige Bauingenieur, der in den letzten Jahren eher durch seine vielen Frauen als durch sein Gespür für Politik und Wirtschaft auffiel, kandidierte bereits 1998 als Bundespräsident. Der unabhängige Kandidat, liegt in Umfragen zurzeit bei 3% und damit weitabgeschlagen auf dem letzten Platz.
Richard Lugners Kandidatur wird dabei von der Öffentlichkeit nicht besonders ernstgenommen. Man wirft ihm vor, er mache den Wahlkampf mit seinen Wahlkampfvideos zu einer Witzvorstellung und wolle nur sein Einkaufszentrum, die „Lugner City“, bewerben.
Wie Lugner das Amt des Bundespräsidenten wahrnimmt, ist weitestgehend unklar. Er machte zwar deutlich, dass er gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP sei und gerne die Regierung absetzen würde, doch zu einer klaren politischen Richtung will er sich nicht bekennen.
Wir dürfen gespannt bleiben, bei wem die Wähler am Sonntag ihr Kreuzerl machen und ob es zu einer Stichwahl im Mai kommt. Natürlich informieren wir Sie am Montag über die Wahlergebnisse.
Weitere Informationen zum Amt des Bundespräsidenten in Österreich.