Die Planung der Erzdiözese Freiburg für die Online-Wahl der Pfarrgemeinderäte 2020 begann lange vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Doch wegen des ersten Lockdowns fiel der alternativ angebotene Urnengang für 1,6 Millionen Wahlberechtigte aus. Wie bei der bisher größten Online-Wahl mit POLYAS trotzdem eine beachtliche Wahlbeteiligung erreicht wurde, erzählt Martin Müller, Pastoralreferent und Geschäftsführer des Diözesanrats Freiburg, im #Kundeninterview.
Herr Müller, wie kamen Sie zu der Entscheidung, die Pfarrgemeinderäte in der Erzdiözese Freiburg per Online-Wahl zu bestimmen?
Der Ausgangspunkt war das Vorbild unserer evangelischen Brüder und Schwestern in Kurhessen-Waldeck, die auch mit POLYAS gewählt hatten. 2015 waren wir noch nicht so weit, aber für 2020 war dann klar: So soll es gehen! Das Ziel war, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Ein weiterer Grund war die zunehmende Bereitschaft jüngerer Menschen, auf Online-Dienste zurückzugreifen. Der dritte Grund war eine Vereinfachung für die Wahlvorstände bei der Auszählung der Stimmzettel.
In der Erzdiözese Freiburg gibt es 224 Pfarrgemeinderäte, die in rund 1000 Stimmbezirken gewählt werden. Welche Aufgaben hat der Pfarrgemeinderat und wie setzt er sich zusammen?
Der Pfarrgemeinderat ist ein Leitungsgremium innerhalb der Kirchengemeinde und hat drei Aufgaben: Die erste Aufgabe ist, die Interessen der katholischen Menschen in Kirche und Gesellschaft zu vertreten. Als Zweites geht es darum, die hauptberuflich Mitarbeitenden in pastoralen Fragen zu beraten und drittens, die Vermögensverwaltung zu übernehmen. Das umfasst den Beschluss des Haushaltes, den Beschluss des Rechnungsergebnisses und die Verwendung der Mittel aus Kirchensteuer und Spenden. Alle gewählten Mitglieder sind Laien, der Pfarrer ist kraft seines Amtes ebenso Mitglied, hat aber auch nur eine Stimme.
Was sind die Rechtsgrundlagen für die Online-Wahl und mussten diese angepasst werden?
Die Rechtsgrundlage ist die Satzung für Pfarrgemeinderäte in der Erzdiözese Freiburg in Verbindung mit der Wahlordnung. Dort musste selbstverständlich die Online-Wahl mitaufgenommen werden. In der Satzung war das nur ein kleiner Paragraf, der hinzugefügt wurde. Die Änderung der Wahlordnung war etwas umfangreicher, aber letztlich auch kein Problem.
Für die Wahl der Erzdiözese Freiburg hat POLYAS das Feature „Freies Eingabefeld“ entwickelt, über das Wählende eigene Vorschläge für Kandidierende eintragen können. Wie zufrieden waren Sie mit der Entwicklung des Features?
Wir waren sehr froh über das Feature, weil wir zehn Prozent der Gewählten über dieses Modul gewinnen konnten.
POLYAS hat für rund 1,6 Millionen Wahlberechtigte die Anschreiben mit personalisierten Angaben zu den Wahllokalen digital erstellt und Dateien an die Druckdienstleister übergeben. Wie verlief hier die Zusammenarbeit?
Das Verschicken der Einladungen verlief unkompliziert. Es war natürlich für 1,6 Millionen Wahlberechtigte ein enormer Aufwand, aber der lief zum Großteil über die Dienstleister. Wir waren immer im guten Kontakt und haben die einzelnen Schritte miteinander besprochen. Das war für mich schon ein großes Entgegenkommen.
Sie haben aufgrund der Ansteckungsgefahr durch COVID-19 die zusätzlich geplante Urnenwahl abgesagt, den damit verbundenen Wahltag verlegt und damit den Zeitraum für die Online-Wahl Und der Briefwahl auf Antrag um 14 Tage verlängert. Wie wurde diese Änderung von Ihren Gemeindemitgliedern aufgenommen?
Brief- und Urnenwahl waren ursprünglich zwei Wahlmöglichkeiten, die in der Erzdiözese Freiburg parallel zur Online-Wahl weiterhin bestanden. Die Urnenwahl wurde uns aber dadurch zunichtegemacht, dass just am Wahltag der Lockdown begann. Da hat uns die Online-Wahl ziemlich geholfen. Wir konnten mit POLYAS den Wahlzeitraum problemlos um 14 Tage verlängern und hatten daher nochmal einen enormen Zuwachs an Stimmabgaben.
Wir wären zufrieden gewesen, wenn wir unter diesen Umständen 100.000 Stimmen über die Online-Wahl bekommen hätten, am Ende waren es rund 106.000. Das hat uns sehr geholfen. Auch die Annahme, dass ältere Gemeindemitglieder sich schwächer an der Wahl beteiligen würden, hat sich nicht bewahrheitet. Es gab einen großen Prozentsatz an Personen über 66, die an der Online-Wahl teilgenommen haben. Im Vergleich zur Briefwahl lag der Anteil der online abgegebenen Stimmen bei rund 70 Prozent. Man muss aber auch sagen, dass uns der fehlende Urnengang die Hälfte der früheren Wahlbeteiligung gekostet hat.
Wie war das Feedback der Wahlberechtigten zur Online-Wahl generell?
Diejenigen, die sich gemeldet haben, waren überwiegend sehr zufrieden. Den meisten Ärger verursachten technische Probleme. Dazu gehörten insbesondere die Wahlversuche mit veralteten Browsern oder falsch eingegebenen Passwörter. Aber da haben wir für die Gestaltung der Wahlbenachrichtigung schon einiges dazugelernt.
Unser Servicetelefon stand nicht still, da konnten wir manche Hilfe leisten. Das Telefon war für uns auch weit über diese konkreten Wahlhilfen hinaus ein wichtiger seelsorglicher Anlaufpunkt. Auch dieses Angebot werden wir für eine künftige Wahl nachbessern müssen. Die Leute waren teilweise über unsere Entscheidung besorgt, die örtlichen Wahllokale nicht zu öffnen.
Wann steht die nächste Wahl an und können Sie sich vorstellen, erneut online zu wählen?
Für uns war sofort nach der Wahl klar, dass wir beim nächsten Mal die Online-Wahl wieder in Anspruch nehmen werden – vorausgesetzt, der Pfarrgemeinderat wird in ähnlicher Art und Weise zusammengesetzt wie jetzt und auch so gewählt. Da stehen im Moment auch andere Möglichkeiten im Raum, die noch diskutiert werden müssen.
Würden Sie die Online-Wahl auch für andere Kirchen empfehlen?
Auf alle Fälle, wir haben die für die Konstituierung des Diözesanrates nötigen Wahlen auch mit POLYAS durchgeführt. Das haben wir mit dem Online-Wahlmanager in Eigenregie gemacht.