In einigen Ländern, wie in Estland oder der Schweiz werden politische Wahlen bereits online durchgeführt. Welche Hürden sind in Europa zu nehmen, damit Online-Wahlen noch mehr Verbreitung finden? Wir haben dazu Robert Krimmer befragt. Er ist Experte für E-Democracy und Professor für E-Governance an der Technischen Universität Tallinn.

Herr Professor Krimmer, welchen Herausforderungen müssen sich europäische Länder für die Einführung von Online-Wahlen stellen?

Das Interesse an Online-Wahlen ist kein neues Phänomen, denn Online-Wahlen und die damit verbundenen Bedürfnisse nach schneller und effizienter Datenübermittlung, sowie einer flexiblen ortsungebundenen Stimmabgabe, sind fast so alt wie das Internet selbst.

Das Problem beim Einsatz elektronischer Netzwerke für Online-Wahlen entsteht durch die zu großen Teilen geheim gehaltenen Informationen zwischen Stimmzettel und Wähler. Bei der Briefwahl können wir die Identität des Wählers eindeutig dem in einem separaten Umschlag befindlichen Stimmzettel zuordnen. Bei der Online-Wahl stellt sich folglich die Frage, wie die Geheimhaltung durch technische Maßnahmen gewährleistet werden kann. In dieser Hinsicht müssen europäische Länder ihre Hausaufgaben machen und entsprechende Maßnahmen umsetzen.

Robert Krimmer

Robert Krimmer, Professor für E-Governance an der Technischen Universität Tallinn.

Ein weiteres Problem, dem begegnet werden muss, betrifft Cyberangriffe und berührt die Frage des Vertrauens: Die Bevölkerung müsste mit einem sicheren E-Ausweis ausgestattet werden, der nicht nur einmalig für die Online-Wahl, sondern im täglichen Einsatz Verwendung findet.

Die Politiker davon zu überzeugen, dass eine Online-Wahl nicht zu einem anderen Wahlergebnis führt, stellt eine weitere, wenn nicht gar die größte Herausforderung dar. Für die Einführung von Online-Wahlen braucht es zum einen eine Führungsverantwortung in diesem Bereich und zum anderen muss ein breiter Konsens für die Wahlreform hergestellt werden.

Mit welchen Mitteln können Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung abgebaut werden?

Durch Vertrauensaufbau und einen stufenweisen Aufbau eines Erfahrungsschatzes, welcher Stück für Stück erweitert wird. Was die Online-Wahl betrifft, so ist ihr Selbstzweck allein nicht ausreichend, denn sie muss Teil eines breit angelegten Systems mit multifunktionalem Wert sein. Der konkrete Nutzen digitaler Möglichkeiten, wie etwa die Einbindung von im Ausland lebenden Bürgern durch den digitalen E-Ausweis, ist da äußerst hilfreich. Estland hat da einen echten Werbewert durch die Einführung der Online-Wahl.

Wie würden sich Ihrer Ansicht nach demokratische Prozesse in Deutschland durch die bundesweite Einführung von Online-Wahlen verändern?

In Deutschland würden sich demokratische Prozesse kaum verändern, da mit der Briefwahl ja bereits ein Distanzwahlverfahren eingeführt wurde. Die Briefwahl ist allerdings eine der teuersten Wahlformen. Mit der Einführung der Online-Wahl könnte man erwarten, dass sich die Kosten verändern würde.

Online-Abstimmungen bei Bürgerbegehren einzusetzen, hätte im Vergleich zur Online-Wahl ein größeres Veränderungspotenzial. Das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz in Österreich im Jahre 2018 hat dies durch eine sehr hohe Wahlbeteiligung deutlich gezeigt.

Welche Bedeutung hätte die Einführung von Online-Wahlen für andere europäische Länder in Bezug auf transnationale Demokratie?

Der Vorteil von Online-Wahlen ist ihre Ortsungebundenheit. Für die Einrichtung entsprechender Systeme fallen lediglich Fixkosten an. Transaktionskosten würden wegfallen. Zudem ermöglichen Online-Wahlsysteme die Durchführung komplexerer, mehrsprachiger Wahlverfahren. Die Europawahl ist prädestiniert dafür. Auf nationaler Ebene wäre ein Effekt aber sehr gering. Ein Diskurs um die Einführung der Online-Wahlen und eine neue Wahlreform muss auf das Vertrauen der Bevölkerung abzielen und Parlamentarier überzeugen.

Vielen Dank für das Interview!

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