Wiederholungswahl in Berlin: Kann man die Wahlorganisation digitalisieren? 

Antonia Reichwein, Head of Sales bei POLYAS, war als Wahlhelferin bei der Wiederholungswahl in Berlin im Februar 2023 dabei. Sie nimmt regelmäßig als Wahlhelferin an Wahlen in Berlin teil und weiß gleichzeitig, wie man die Online-Wahlen bei POLYAS organisiert. Im Interview erzählt Antonia von ihren Eindrücken und zieht den Vergleich zur digitalen Wahl.

Hallo Antonia, erzähl mal von deinen Erfahrungen als Wahlhelferin bei der Wiederholungswahl in Berlin. Hast du das zum ersten Mal gemacht?

Ich habe schon dreimal als Wahlhelferin bei den Wahlen geholfen. Bei der Wiederholungswahl in Berlin im Februar 2023 war ich die Wahlvorsitzende, die für den ganzen Prozess verantwortlich war. Auch die letzten Wahlen hier in Berlin in 2021 habe ich begleitet, dort als stellvertretende Vorsitzende.

Antonia Reichwein,
Head of Sales bei POLYAS

Die letzten beiden Male war ich in einem Briefwahllokal und habe dort die Auszählung unterstützt. Diesmal konnte ich vor Ort im Wahllokal in einer Behörde in Lichtenberg helfen, wo die Wählenden schon ab acht Uhr morgens zum Wählen zu uns gekommen sind.

Wie werden die Wahlen vor Ort organisiert?

Der Wahlvorstand ist selbständig. Wir kriegen Vorgaben, Empfehlungen, Best-Practice-Beispiele und Schulungen, was rechtlich gemacht werden soll, aber im eigenen Wahllokal sind wir selbständig organisiert. Wir sind dann für den ganzen Prozess im Wahllokal verantwortlich und zuständig.  

Warum hast Du dich entschieden, als Wahlhelferin bei der Wiederholungswahl in Berlin tätig zu sein?

Ich habe mich damals zum ersten Mal dafür entschieden, weil ich durch meine Arbeit bei POLYAS gemerkt habe, dass es spannend wäre, zu sehen, wie die Wahlen sozusagen analog organisiert werden. Ich wollte das eigentlich schon immer machen, aber ich hatte nie die Chance.

Früher habe ich immer als Wählerin die Briefwahl genutzt, wenn ich selbst abgestimmt habe, da ich nicht wissen konnte, ob ich an dem Wahltag in der Stadt bin. Ich wollte nicht an den Ort gebunden sein. Deswegen bedeutet die Mitarbeit als Wahlhelferin für mich wieder in Kontakt mit dem Wahlprozess zu kommen, vor Ort zu sein, ein Ehrenamt auszuführen und zu sagen: „Ja, ich bin jetzt dabei“. 

Das ist immerhin eine Wahl und ich wollte Verantwortung übernehmen, obwohl es nur ein kleiner Teil ist, den man im eigenen Wahllokal beiträgt. Aber, wie wir im letzten Jahr gesehen haben, kann genau dieser kleine Teil, den man mit organisiert und zu dem man beiträgt, auch extrem wichtig im großen Ganzen sein.

Kannst Du dir vorstellen, dass man bestimmte Teile der Wahlorganisation, Wahlbeobachtung oder Wahlhilfe digitalisiert? 

Die digitalsten Tools, die im Wahllokal zu finden waren, waren unser Taschenrechner und mein Handy, mit dem ich das Bezirksamt als Wahlhelferin bei der Wiederholungswahl in Berlin angerufen habe. Das war das Maximum an Digitalisierung – alles anderes war auf Papier.

Alle Ausdrucke, alle Schnellmeldungen, alle Stimmzettel waren auf Papier – dafür gab es mehrere Mappen. Natürlich waren auch alle Anleitungen ausgedruckt. Wenn man gern mit Papier arbeitet, ist das gut. Es wird jedoch einfach dadurch sehr viel gedruckt und eben wirklich dann auch die komplette Dokumentation während der Wahl auf Papier gemacht. Deswegen ist die Auszählung ein Bereich, in dem die Digitalisierung nicht nur zu mehr Nachhaltigkeit sondern auch schlicht zu mehr Genauigkeit führen kann. Damit man schnell erkennen kann – wo war denn jetzt der Fehler? 

Bei der Auszählung und der Zusammenrechnung bietet sich eine Digitalisierung auf jeden Fall an. Wir haben uns bei der Auszählung sehr viel Mühe gegeben und hatten bei der Prüfung dann keine Fehler drin, aber man muss schon sehr genau sein. Und man muss aufpassen – alles wird händisch mit dem Taschenrechner zusammengerechnet. Da müsste man sich nur einmal vertun und dann kann es gut sein, dass man alle Stimmzettel nochmals auszählen muss, um den Rechenfehler zu finden. Das sind menschliche Prozesse und gerade auch ehrenamtliche Prozesse. Die Wahlhelfer:innen machen das nicht regelmäßig oder gar beruflich, dadurch können natürlich Fehler entstehen.  


Welche Bereiche könnte man noch bei der Wiederholungswahl in Berlin digitalisieren?

Ein anderer Bereich ist der Beobachtungsteil. Wir hatten etwa einmal einen Wähler als Wahlbeobachter dabei, der sich die Auszählung angeschaut hat. Das ist natürlich ein großes Commitment, über zwei bis teilweise sogar sechs Stunden den Prozess mit anzugucken. Es wäre klasse, hier andere Möglichkeiten für die Wahlbeobachtung und die Wahrung des Öffentlichkeitsprinzips anzubieten.  
 
Noch ein Bereich, in dem Digitalisierung bei der Wahl helfen könnte, ist die digitale Stimmabgabe. Oft machen Wähler:innen leider Fehler im Stimmzettel, einfach weil sie nicht wissen, wie viele Kreuze man wie und wo setzen kann. Bei simplen Wahlen ist das einfach, aber bei größeren Wahlen oder längeren Volksentscheiden kompliziert – da bekommt man unterschiedliche Stimmzettel mit mehreren Listen. Fehler fallen insbesondere bei der Briefwahlauszählung auf, wenn die Menschen zuhause alleine alle Stimmzettel korrekt in die unterschiedlichen Rückumschläge einsortieren müssen. Da bekommen wir auch viele ungültige Stimmzettel, auf denen zu viele Kreuze gesetzt wurden oder die einfach falsch eingetütet waren. Es ist natürlich schade, wenn diese Stimmen dann als ungültig gezählt werden müssen. Digital könnte man den Prozess der Stimmabgabe besser erklären und die Wähler:innen ihre Auswahl überprüfen lassen. Das würde zu mehr Genauigkeit innerhalb des ganzen Wahlprozesses führen.   

Glaubst Du, dass die Wahlen komplett digitalisiert werden sollten?

Ich glaube, dass die Möglichkeit von Optionen wichtig ist. Es muss nicht alles digital sein, aber es sollte das Prinzip gelten „Ich kann mir aussuchen, wie ich abstimmen möchte“.  

Es stellt sich auch immer die Frage, wie man mit älteren Menschen umgehen sollte, sodass diese möglichst unabhängig und unter Wahrung des Wahlgeheimnisses wählen können. Bei einer digitalen Wahl bräuchten sie möglicherweise die ersten Male mehr Erklärung. Aber teilweise benötigen sie schon mit Zettel und Stift viel Unterstützung, wenn sie etwa Probleme haben, den Stift beim Ankreuzen der Stimmzettel zu halten oder den langen Stimmzettel zu entfalten. Hier wäre es digital mit einem Klick deutlich einfacher für sie.

Die Digitalisierung ergänzt die Optionen für die Stimmabgabe. Die Wahlbeteiligung war dieses Mal bei der Wiederholungswahl in Berlin nicht so hoch. Das liegt sicher teilweise daran, dass man nicht an einem schönen Sonntag ins Wahllokal gehen und dort anstehen möchte. Die Briefwahl zu beantragen ist natürlich auch etwas, bei dem man sich frühzeitig drum kümmern muss. Und ob man vom Ausland aus wählen kann, ist nochmal eine andere Frage.  Meine Schwester lebt beispielsweise in Irland und sie hat immer Probleme, an den Wahlen teilzunehmen. Auch wenn sie einfach einen Brief schickt dauert der Postweg einfach sehr lang. Und wenn dann noch etwa ein Streik bei der Post dazukommt, braucht sie es gar nicht versuchen. Deswegen wären mehrere Optionen für die Stimmabgabe wichtig – digitale und analoge, damit man sich eine Art und Weise der Stimmabgabe aussuchen kann.