Interview mit Robert Krimmer

Nachgefragt: Ich spreche heute mit Werner Altmeyer von der EWC-Academy über SE-Betriebsräte und Europa-Betriebsräte bei multinationalen Unternehmen.

EWC steht für European Work Council. Sie bieten Beratung und Schulungen für europäische Betriebsräte und SE-Betriebsräte bei den Verhandlungen. Sie bieten darüber hinaus auch Sprachkurse an.

Interviewerin: Was ist der Unterschied zwischen Europa-Betriebsrat und SE-Betriebsrat?

Herr Altmeyer: Es ist eine unterschiedliche gesetzliche Grundlage, es gibt zwei EU-Richtlinien. Aber es ist praktisch in der täglichen Arbeit kein großer Unterschied. Also einen europäischen Betriebsrat gibt es in transnationalen Unternehmen, die nicht die Rechtsform SE haben.

Interviewerin: Könnten Sie uns einen großen Unterschied bei der täglichen Arbeit nennen?

Herr Altmeyer: Bei der SE hat man ja nicht nur den SE-Betriebsrat, sondern verhandelt auch über den Aufsichtsrat, also die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat. Und bei einem normalen Europa-Betriebsrat redet man nur über den Betriebsrat und nicht nur über einen Aufsichtsrat.

Interviewerin: Nun hat nicht jede SE auch einen SE-Betriebsrat. Warum gibt es manchmal Betriebsräte und manchmal nicht?

Herr Altmeyer: Es gibt erst einmal eine große Anzahl von arbeitnehmerlosen SEs. Das sind sogenannte Vorratsgesellschaften, die liegen irgendwo in Anwaltskanzleien in der Schublade und können aktiviert werden. Aber auch nicht jede Firma, die aktiviert ist, hat auch Mitarbeiter. Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Firma unterhalten wird, nicht um Mitarbeiter zu beschäftigen, sondern um Steuern zu sparen oder um irgendwelche Konstruktionen zwischen Holdings zu kreieren. Da gibt es die unterschiedlichsten Gründe, warum man eine Firma gründet. Und die Frage nach einer Arbeitnehmervertretung wird erst ab einer bestimmten Anzahl von beschäftigten Arbeitnehmern interessant.

Interviewerin: Was können Sie mir über das Wahlverfahren bei SE-Betriebsräten erzählen?

Herr Altmeyer: Bevor eine SE gegründet wird, muss man ein Verhandlungsverfahren mit den Arbeitnehmern durchführen. Sonst wird das Handelsregister die Eintragung nicht vornehmen. Es ist also gesetzlich festgelegt, dass, wenn eine Firma die Absicht hat, sich in eine SE umzuwandeln, dann müssen sie ein formales Verfahren durchlaufen. Es wird ein Gremium gegründet, das nennt sich „Besonderes Verhandlungsgremium“. Zunächst mal muss der Betrieb der Belegschaft mitteilen, dass eine Umwandlung zu einer SE geplant ist. Dann müssen Sie dazu aufrufen, Vertreter für das Verhandlungsgremium zu wählen. Und dann finden in allen beteiligten Ländern eine Wahl zum BVG statt – innerhalb von zehn Wochen. Dann findet eine konstituierende Sitzung statt, meistens dort wo die Firma ihren Hauptsitz hat und dort treffen sich alle gewählten Delegierten und wählen ihren Vorstand und deren Vertreter. Dann treten sie in Verhandlung mit dem Management, wie denn in Zukunft der SE-Betriebsrat aussehen soll. Dafür gibt es eine Frist von sechs Monaten. Dann wird ein Vertrag ausgehandelt mit allen Ergebnissen der Verhandlungen.

Interviewerin: Was sind die größten Herausforderungen bei den Verhandlungen?

Herr Altmeyer: Viele kennen sich gar nicht. Sie sprechen verschiedene Sprachen und vielen ist nicht wirklich bewusst, worüber sie verhandeln sollen. Dabei ist auch zu bedenken, dass es auch darauf ankommt, ob es in den Betrieben bereits Betriebsräte oder andere Formen der Mitbestimmung für Arbeitnehmer gibt. Es gilt nämlich das „Voher-Nachher-Prinzip“, das bedeutet, dass bereits vorhandene Rechte nicht mehr eingeschränkt werden dürfen. Damit müssen auch die einzelnen Betriebe und die Rechtsformen dort miteinander verglichen werden.

Interviewerin: Gibt es zwischen den einzelnen Ländern Unterschiede bei den Wahlverfahren für den SE-Betriebsrat?

Herr Altmeyer: Ja, jedes Land wählt so, wie es bei ihnen üblich ist. In Deutschland wählt in der Regel der Betriebsrat die Delegierten. Im Vereinigten Königreich gibt es eine Urwahl. Die Kandidaten präsentieren sich dann vor der gesamten Belegschaft. Es findet dann eine Briefwahl statt, bei der jeder Mitarbeiter eine Stimme hat. In Frankreich geht das Mandat an die stärkste Gewerkschaft, die dann entscheiden kann, welches Belegschaftsmitglied dem Gremium angehören wird.

Interviewerin: Solche unterschiedliche Wahlverfahren machen das alles etwas komplizierter. Gibt es Pläne das zu standardisieren?

Herr Altmeyer: Nein, das ist auch etwas, was beispielsweise die EU gar nicht regeln kann. Die Traditionen und das Arbeitsrecht sind so unterschiedlich, da kann man nicht eingreifen von außen und vereinheitlichen.

Interviewerin: Würden Sie sagen, dass der Trend zu SE-Betriebsräten und Europa-Betriebsräten geht?

Herr Altmeyer: Ja, die Tendenz ist steigend.

Interviewerin: Wie viele gibt es in etwa?

Herr Altmeyer: Es gibt bei den europäischen Betriebsräten etwa 1100 und bei den SE-Betriebsräten etwa 120.

Interviewerin: Und wie vielen von ihnen haben Sie geschult und beraten?

Herr Altmeyer: Ich würde mal sagen 20%.

Danke Herr Altmeyer für das Interview. Lesen Sie hier, wie eine Online-Wahl in Ihrem Unternehmen aussehen könnte.

About Laila Oudray

Um die Welt zu gestalten und zu verbessern, benötigt man Informationen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, diese Informationen zu recherchieren und hoffentlich unterhaltsam aufzubereiten. Wenn ich nicht gerade das World Wide Web für die interessantesten Themen durchforste, lebe ich meine musikalische Seite aus und singe (wie man mir sagt, auch gar nicht so schlecht). Seit April arbeite ich bei Polyas. Hier bin ich für die Pressearbeit zuständig und schreibe Blogartikel.